Thursday, January 10, 2013

Über das Missbrauchspotential der Creeper Move Cards


Während und nach der 29c3 habe ich einiges über die Creeper Move Cards gelesen, unter Anderem über ihr Missbrauchspotential.

Insgesamt kann ich die Reaktionen gegen die Karten, die ich gelesen habe, so zusammenfassen:
  1. Generalverdacht!
  2. Also ich bin noch nie belästigt worden.
  3. Wem's hier nicht passt soll woanders hingehen.
  4. Man kann doch drüber reden statt gleich 'ne Karte zu geben.
  5. Die Karten sind viel zu krass.
  6. Inflationärer Gebrauch der Karten schadet der Sache.
  7. Missbrauchspotential!

Generalverdacht

Wenn ich zu mir in die Arbeit sowas wie die Creeper Move Cards mitbringe (und klar ist, daß ich vorhabe, sie im Büro bei Bedarf einzusetzen), dann werden mich meine 4 KollegInnen mit Recht fragen, ob ich sie wirklich so fies finde.

Aber doch nicht auf einem 6000-Personen-Kongress, Leute. Sexismus existiert. Menschen, die sich ein 29c3-Ticket gekauft haben sind deswegen noch keine Heiligen. Und die Möglichkeit von sexistischen Zwischenfällen anzuerkennen (mehr tun die Karten nicht) ist von Generalverdacht so weit entfernt wie noch mal was. 'Nuff said.

Habt euch nicht so

Argumente Nummer 2 und 3 habe ich nur der Vollständigkeit halber aufgeschrieben. Wer die benützt hat, denkt bitte nochmal drüber nach. Oder (alternativ bei #3): Schämt Euch.

Man kann doch über alles reden

Es gibt eben Situationen, in denen nicht jeder über alles reden kann. Und dazu zählen auch soziale Situationen, wo alles recht schnell geht, eins sich leicht überrumpelt fühlen kann, und auch unter Konformitätsdruck steht. Außerdem zählen dazu noch Situationen, in denen man sich vor den Kopf gestoßen, angegriffen oder verletzt fühlt. Eine Belästigung auf eine Hacker-Kongress (bis zu der man sich wahrscheinlich sogar auf dem Kongress recht wohl gefühlt hat) vereint alle dieser Bedingungen.

Können wir uns also darauf einigen, daß man nicht immer über alles reden kann? Und daß diejenigen, die das aus unterschiedlichen Gründen nicht können vielleicht trotzdem eine Chance verdient haben, zu signalisieren "Stop! Ich will das nicht." oder "Das ist nicht in Ordnung."?

Na also.

Der Missbrauch

Bleiben also die Argumente "Die Karten sind zu krass" a.k.a. "Geht das auch netter?" a.k.a. Tone Argument, der inflationäre Gebrauch und "Aber das Missbrauchspotential!"

Die Creeper Move Cards sind im Grunde Macht. Macht, die diejenigen bekommen, die weniger privilegiert sind und strukturell diskriminiert werden. Die Machtlosen also.

Und Macht kann eben auch missbraucht werden. http://neindochoh.de

Wenn eins sich mal diesen Aspekt unter dem Blickwinkel eines weißen Mannes (also mir) reinzieht klingt das so: Personen, die weniger Macht haben, und die auch immer wieder mal schlecht behandelt, ausgegrenzt, verarscht, in den Hintergrund gedrängt werden, bekommen plötzlich ein Machtinstrument, mit dem sie willkürlich jedem eins auf den Deckel geben können, so ganz ohne Kontrolle.

Da wird mir auch ein bisschen mulmig.

Da könnte ich ja jeden Moment von jemandem einfach so eine Karte vor den Latz geknallt bekommen, und die/derjenige müsste sich nicht mal rechtfertigen. Obendrein wirken diese Karten auch noch so, als wäre dieses Verhalten (auf irgend einer Ebene) allgemein geduldet, wenn nicht sogar sanktioniert. Da kann eins sich schon ein bisschen schutzlos ausgeliefert fühlen.

Genau so ist das Gefühl (glaube ich) für so manche Frau. Nur eben nicht erst seit es diese Karten gibt.

Sondern eigentlich immer.

So kommt man mit den Creeper Move Cards - so ganz neben dem eigentlichen Zweck - als Mann in den Genuss, mal diesen Blickwinkel nachempfinden zu können. Meine Empfehlung (mit den Worten von Noah Sow): Nehmen Sie's als Erfahrung.


0 Comments:

Post a Comment

<< Home